Green Deal: Waldkonferenz zeigt Komplexität auf

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Schützen und/oder nützen und wenn ja, wie? Das diskutierten im Rahmen der internationalen Konferenz zu Wäldern für Biodiversität und Klimawandel diverse Interessengruppen am 4. und 5. Februar in Brüssel. Ziel der gut besuchten Veranstaltung war es, ein möglichst vielfältiges Meinungsbild zwecks Entwicklung einer europäischen Waldstrategie einzuholen, aber auch, die verschiedenen "Lager" zu mehr Kompromissbereitschaft zu bewegen. So bemängelten Naturschützer den offensichtlichen Fokus des Green Deals auf eine verstärkte Holznutzung - und damit "Abholzung" - während Waldbesitzer und Förster die ihnen gemeinhin unterstellte Profitgier entschieden zurückwiesen und sich innerhalb der Konferenz eher unterrepräsentiert empfanden.

Dennoch konnten wichtige Aspekte eingebracht werden. So warnte EUSTAFOR-Präsident Reinhardt Neft davor, Einschlag und Zuwachs zu verwechseln. Schließlich ist ein erhöhter Einschlag bei ausreichend Zuwachs keineswegs so alarmierend, wie das manch Naturschutzaktivist interpretiert. Er warnte außerdem davor, sich auf die Buche zu versteifen, die schließlich ebenso Probleme mit dem Klima hat, wie andere Baumarten. CEPF-Präsident Hubert de Schorlemer riet dazu, weniger Verbote und dafür mehr Anreize in die Waldstrategie zu integrieren, um private Waldbesitzer zu mobilisieren. In dieselbe Kerne schlug Pro Silva-Präsident Eckart Senitza, der die zunehmende Zahl der UFOs (Urban Forest Owners) in Europa als besondere Herausforderung darstellte. Sie müsse man besser informieren und schulen, um Ihren Wäldern gerecht zu werden. Die Vertreter von Waldbesitz und -management betonten, nicht der Waldfeind Nummer eins zu sein, sondern dringend als Partner im Team "Waldschutz" verstanden werden zu müssen.

Dass Peter Wohlleben die Keynote-Rede hielt, war aus Forstsicht ärgerlich, doch in die Organisatoren hineinversetzt vermutlich alternativlos und immerhin hat der abtrünnige Buchautor für Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein in der Bevölkerung gesorgt. In Brüssel schob er seinen "Kollegen" - wie immer - den schwarzen Peter zu und warb gebetsmühlenartig für den deutschen Buchenurwald, der trotz der von ihm angeführten, menschenverursachten Bodenverdichtung und -austrocknung aus sich natürlich verjüngenden Fichtenplantagen entstehen soll - wie, darauf ging er nicht ein. Dies stand in starkem Kontrast zur Eröffnungsrede von Green Deal-Vize Frans Timmermans, der sich für Geschlossenheit aller "Treehugger", Balance zwischen den verschiedenen Waldleistungen und -bedürfnissen sowie Aufforstung aussprach. Er mahnte dazu, sich darüber bewusst zu werden, dass es keine einfache Lösung für die vielschichtigen Probleme im und um den Wald geben kann. Ziel der Waldstrategie muss es daher sein, diese Komplexität zu erkennen, anhand möglichst vieler wissenschaftlicher Daten zu verstehen, um umfassende und sinnvolle Maßnahmen in die Wege leiten zu können. Einig waren sich Timmermans und Wohlleben darin, dass Green Deal, Waldstrategie und Klimaziele mitnichten der Rettung des Planeten dienen, denn der erholt sich von allein. Doch ob die Menschheit langfristig auf ihm überleben kann, wenn nichts geschieht, ist fraglich.

Während der Konferenz beleuchtete man etliche Themenfelder, darunter die weltweite Abholzung für landwirtschaftliche Zwecke, den Einfluss des Waldes auf den Klimawandel und umgekehrt sowie Möglichkeiten, mit Wald und Holzprodukten möglichst viel CO2 zu binden. Hier sprach man sich einerseits für die verstärkte Verarbeitung von Holz zu langlebigen Produkten, wie im Holzbau, andererseits für die energetische Nutzung aber auch für verlängerte Umtriebszeiten aus, um die verstärkte Biomassezunahme älterer Bäume zu nutzen. Je nach Standort, Baumbestand etc. dürfte jede dieser Alternativen ihren Platz in der Gesamtlösung finden.

Die Einbindung der Konsumenten wurde ebenfalls angesprochen. So sei es ratsam, ein eindeutiges Standardsiegel zu entwickeln, das Verbraucher darüber informiert, ob sie mit diesem speziellen Kaffee, Kakao oder Produkt mit Palmölanteil indirekt zum Waldverschwinden beitragen oder nicht. Allgemein sei es aber nötig, den Konsum in Europa herunterzufahren, was nur gelingen kann, wenn sich jeder Bürger verantwortlich fühlt und die Waldstrategie so ausgearbeitet ist, dass sie glaubwürdig ist und von allen Interessengruppen mitgetragen wird.

Aufforstung wurde generell befürwortet, sei jedoch keine Alternative zur Verhinderung illegaler Abholzung, sondern beides müsse parallel erfolgen. Trotz unzureichender Daten und Forschung, deren Verstärkung als Grundtenor aus der Veranstaltung mitgenommen werden konnte, sprach sich die Wissenschaftsseite für die Aufforstung mit verschiedensten Baumarten aus. Sicher scheint, dass Risikostreuung - wie Sie ja auch von der Natur erfolgt - ratsam ist. Dabei kommt es auf hochwertiges Saatgut aus der passenden Region an, ein Bereich, in dem noch viel Erschließungs- und Vernetzungsarbeit zu leisten ist. Weißtanne und Schwarzkiefer machen bereits einen vielversprechenden Anfang, wie Silvio Schüler vom österreichischen Bundesforschungszentrum für Wald betonte.

Zusammenfassend spiegelte die Konferenz die Fülle an Meinungen und Ansprüchen durchaus wider. Wirkliche Lösungen zu brennenden Fragen kristallisierten sich noch nicht heraus, was aber auch kein Anspruch gewesen sein dürfte. Sicher scheint: Es muss zusammengerückt werden, man muss mehr forschen und es gilt, eine Entscheidungsgrundlage für standortgerechte und faire Kompromisse im Spannungsfeld Nutzung/Stillegung zu finden. Die Ressource Holz ist zwar erneuer- aber nicht unendlich verfügbar - weder zu konsumtechnischen noch zu klimaschützenden Zwecken. Um Wälder und ihre vielen Funktionen für Mensch und Natur zu bewahren, bedarf es individueller, praxisorientierter Lösungen, die auf verlässlichen Erkenntnissen beruhen müssen.

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